Forschungsprojekte
Hochwasserschutz
- «Rhesi» – Hybride Modellierung
- «Rhesi» – Optimierung der Dammfusssicherung
- Hochwasserschutz Andermatt
Schwemmholz
- Hochwasserschutz Kloten: Entlastungsstollen Altbach
- Feldversuch an der Glatt: Schwemmholzverklausung an Brückenpfeiler
- Hochwasserschutz Engstlige Frutigen: Physikalische Modellversuche zum Schwemmholzrückhalt Grassi
- Hydrodynamic processes due to partially spanning logjams (in English)
- SmartWood_3D: Quantifizierung und Bewertung von Schwemmholztransport- und Verklausungsprozessen
Sohlenstabilisierung
Projekthintergrund
Durch das Hochwasserschutzprojekt «Rhein - Erholung und Sicherheit» («externe SeiteRhesicall_made») soll in den kommenden Jahrzehnten die Abflusskapazität auf der internationalen Strecke des Alpenrheins zwischen km 65 (Einmündung der Ill) und km 91 (Mündung in den Bodensee) von derzeit 3'100 m3/s (ca. HQ100) auf mindestens 4'300 m3/s (ca. HQ300) ausgebaut werden.
Diese Steigerung der Abflusskapazität soll ohne Ansteigen der Hochwasserspiegel sowie ohne Erhöhung der Hochwasserschutzdämme erreicht werden. Eine der Hauptmassnahmen des Projekts besteht somit in der Erhöhung des Abflussquerschnitts durch Verbreiterung des Mittelgerinnes und die gezielte Dynamisierung definierter Bereiche der Vorländer. Das in früheren Korrektionen (1892 - 1923) erstellte, für die internationale Strecke charakteristische, Doppeltrapezprofil des Alpenrheins wird über weite Strecken aufgegeben (Abb. 1). Diese Anpassungen der Gerinnegeometrie sollen neben der Erhöhung der Hochwassersicherheit auch eine naturnahe Gestaltung des Gerinnes ermöglichen.
Die Auswirkungen der projektierten Massnahmen auf das Strömungsverhalten, den Geschiebehaushalt sowie die Ufer- und Bauwerksbelastungen sind nur schwer prognostizierbar, da kaum Erfahrungen mit Revitalisierungs- und Hochwasserschutzprojekten dieser Grössenordnung vorliegen.
Auftrag der VAW
Die im Projekt vorgesehenen wasser- und flussbaulichen Massnahmen werden im Auftrag der Internationalen Rheinregulierung («externe SeiteIRRcall_made») von der VAW mittels hybrider Modellversuche (Untersuchungen in gegenständlichen und numerischen Modellen) geprüft und optimiert.
Folgende Fragestellungen werden untersucht:
- Prüfung der Hochwassersicherheit
- Morphologische Entwicklung
- Prozesse bei Querschnittsänderungen (Verengung / Aufweitung)
- Uferschutz und Böschungssicherheit
- Brückenbauwerke (Freibord, Verklausungsrisiko, Pfeilerkolke)
- Vegetation auf Kiesbänken (Rückstau im Hochwasserfall und Rückhaltepotential von Schwemmholz, Einfluss auf morphologische Entwicklung)
Versuchsprogramm
Die Untersuchungen werden in zwei gegenständlichen Modellen im Massstab 1:50 für charakteristische Abschnitte des Projekts «Rhesi» durchgeführt:
- Im Abschnitt «Widnau / Höchst» (km 81.1 bis 86.4) befindet sich der schmalste Abschnitt des Projekts. Dieser eignet sich insbesondere für die Untersuchung der Prozesse bei Querschnittsänderungen (Verengungen, Aufweitungen) sowie der Uferbelastung in Kurvensituationen.
- Der Abschnitt «Oberriet / Koblach» (km 66.0 bis 71.1) beinhaltet die grösste Aufweitung innerhalb des Projekts. Der Übergang vom heutigen, schmalen Gerinne mit Breiten von 70 - 90 m auf die neue Breite von bis zu 350 m soll nach Entfernen der bestehenden Ufersicherungen grösstenteils eigendynamisch erfolgen. Die Untersuchung der auftretenden morphologischen Dynamik in einem verzweigten Gerinne ist von grossem Interesse in Bezug auf Ökologie und Geschiebehaushalt.
Neben den gegenständlichen Modellen werden in der Simulationssoftware BASEMENT hydronumerische 2D-Geschiebemodelle betrieben, welche den gesamten Perimeter des Projekts «Rhesi» abbilden. Diese sind elementare Grundlagen für die Bereitstellung und Überprüfung der Randbedingungen der gegenständlichen Modelle, die Validierung der Ergebnisse sowie die Durchführung von Sensitivitätsanalysen («hybride Modellierung»).
Die Untersuchungen des ersten Abschnitts «Widnau / Höchst» wurden zwischen Juni 2019 und Januar 2021 durchgeführt. Nach der Kalibrierung des gegenständlichen Modells im heutigen flussbaulichen Zustand erfolgten Untersuchungen zur Entwicklung der Morphologie nach Umsetzung des Projekts «Rhesi». Anschliessend wurden die Standorte und Bauweisen diverser Schutz- und Lenkungsbauwerke optimiert (Abb.2). Die Versuche wurden mit Untersuchungen zum Schwemmholztransport und der Verklausungswahrscheinlichkeit an Brückenpfeilern abgeschlossen (Abb.3).
Seit Februar 2021 erfolgt der Aufbau des gegenständlichen Modells für den zweiten Untersuchungsabschnitt «Oberriet / Koblach». Nach Inbetriebnahme des Modells im April 2021 wird unter anderem der Bauablauf für die Umsetzung von «Rhesi» untersucht. Ziel der Untersuchung ist, die maschinellen Eingriffe zur Verbreiterung des Gerinnes möglichst zu reduzieren und die eigendynamische Entwicklung des Alpenrheins durch gezielte Massnahmen zu fördern. Die Modellversuche im Abschnitt «Oberriet / Koblach» werden voraussichtlich im Juni 2022 abgeschlossen.
Projekthintergrund
Im aktuellen Zustand weist der Alpenrhein auf dem internationalen Streckenabschnitt (km 65 bis 91) einen gestreckten Lauf mit überwiegend ebener Sohle auf, wodurch entsprechend geringe Strömungsbelastungen der Ufer vorliegen. Durch die im Hochwasserschutzprojekt «externe SeiteRhesicall_made» vorgesehene Verbreiterung des Gerinnes zur Erhöhung der Abflusskapazität wird sich die Morphologie des Alpenrheins zu alternierenden Bänken und, in den breitesten Abschnitten, einem verzweigten Gerinne verändern. Die bei diesen Gerinneformen höhere morphologische Dynamik führt zur Bildung von Querströmungen und sogenannten «morphologischen Kolken», welche zu einer erhöhten Beanspruchung der Ufer führen können. Die Tiefe dieser Kolke nimmt mit steigender Gerinnebreite grundsätzlich zu, wobei deren Lage stark durch lokale morphologische Prozesse geprägt ist und schwer vorhergesagt werden kann. Dies bedingt eine entsprechend flexible Dimensionierung des Uferschutzes - im Projekt «Rhesi» als «Dammfusssicherung» bezeichnet.
Um die Stabilität der Ufer trotz der erhöhten Strömungsbeanspruchung sicherzustellen, sind im gesamten Projektgebiet beidseitig Ufersicherungen mit Blockvorlagen, sogenannten «Blockdepots», vorgesehen (Abb. 1). Diese Depots werden im Trockenen erstellt und sollen im Fall einer Kolkbildung im Bereich des Dammfusses in den Kolk abrutschen und so ein Unterspülen der Ufersicherung verhindern. Die Kosten für den Bau dieser Sicherungsmassnahmen werden stark durch die Grösse und Anzahl der in den Depots benötigten Blöcke bestimmt. Aufgrund des beidseitigen Einbaus dieser Massnahme auf einer Fliesslänge von 26 km ist dessen Optimierung von entscheidender Bedeutung.
Auftrag der VAW
Im Auftrag der Internationalen Rheinregulierung (externe SeiteIRRcall_made) wird von der VAW ein gegenständliches Modell im Massstab 1:35 für die Untersuchung und Optimierung der Dammfusssicherung betrieben (Abb. 2). Entsprechend des Modellmassstabs können ca. 550 m Fliessstrecke und eine Gerinnebreite von bis zu 105 m nachgebildet werden. Die Gerinnebreite des Alpenrheins nach der Umsetzung von «Rhesi» von bis zu ca. 350 m kann im Modellmassstab nicht vollständig abgebildet werden. Daher stellt die Topographie im Modell eine gezielte Abstraktion dar, die es erlaubt, die für die Optimierung der Dammfusssicherung relevanten Prozesse zu simulieren.
Versuchsprogramm
Das Versuchsprogramm wird in Abstimmung mit den Erkenntnissen der parallel von der VAW bearbeiteten «Hybriden Modellierung Rhesi» festgelegt. In dieser übergeordneten, grossskaligen Untersuchung werden die morphologischen Prozesse nach der Umsetzung von "Rhesi» mittels numerischer Simulationen sowie gegenständlichen Modellen im Massstab 1:50 untersucht. Die entsprechenden Ergebnisse dienen der Definition der Randbedingungen und der Szenarien für die Untersuchung der Dammfusssicherung.
Folgende Fragestellungen werden untersucht:
- Verhalten der Blockdepots zur Sicherung der Ufer bei Kolkbildung
- Optimierung der Bauweisen (Blockgrösse, Dimensionierung der Depots, Höhenlage der Depots)
- Prüfung alternativer Varianten der Dammfusssicherung
In den Modellversuchen konnten das Abrutschen der Depots in die Kolke und die Stabilität des Ufers erfolgreich nachgewiesen werden (Abb. 3). Auf Basis der Versuchsergebnisse wird ein Dimensionierungsansatz entwickelt, der es ermöglicht, den stark variierenden Anforderungen im Projektgebiet bei optimierter Bauweise der Dammfusssicherung gerecht zu werden. Anschliessend erfolgt die Untersuchung und Optimierung von Buhnenbauwerken, welche im Projekt «Rhesi» als weitere Massnahmen zur Ufersicherung vorgesehen sind.
Das Hochwasser 1987 an der Reuss und Unteralpreuss hat in Andermatt zu grossflächigen Überschwemmungen von Siedlungs- und Landwirtschaftsgebieten geführt. Die Unteralpreuss hat Geröll und Schlamm mittransportiert, wodurch Brücken, Strassen – und Bahnanlagen beschädigt oder zerstört wurden. Durch dieses Ereignis wurde ein deutliches Schutzdefizit aufgezeigt, welches durch die Umsetzung des Hochwasserschutzprojekts Andermatt aus Jahr 2009 bereinigt werden sollte.
Folgende Massnahmen wurden mit dem Dimensionierungsabfluss eines 100-jährigen Ereignisses ausgearbeitet und seit 2012 bereits umgesetzt:
- Bau eines Geschiebesammlers oberstrom von Andermatt, um das Geschiebe der Unteralpreuss bei grösseren Abflüssen zurückzuhalten
- Erosionsschutz der Sohle zwischen Geschiebesammler und der Matterhorn Gotthard Bahn Brücke (MGB-Brücke)
- Neubau und Höherlegung der Brücke Bahnhofstrasse oberhalb der MGB-Brücke (Abb. 1)
- Seitliche Überlast-Entlastung zwischen Brücke Bahnhofstrasse und MGB-Brücke
Als letztes Element des Gesamtprojekts ist die Erhöhung der Hochwassersicherheit bei der MGB-Brücke direkt am Bahnhof in Andermatt ausstehend. Im Zusammenhang mit dem bereits gestarteten Umbau des Bahnhofs soll die vorhandene Brücke durch eine neue, breitere Brücke, welche als Druckbrücke geplant ist, ersetzt werden. Mit dem Ausbau des Bahnhofs Andermatt wird ebenfalls ein neuer Unterhaltsstütz-punkt der MGB realisiert. Die Zufahrt zu diesem Unterhaltsstützpunkt soll durch eine weitere neu gebaute Brücke zwischen der bestehenden ASTRA-Brücke und der neu geplanter Druckbrücke gewährleistet werden.
Auftrag der VAW
Im Auftrag der Matterhorn Gotthard Bahn werden die zwei neu geplanten Brücken beim Bahnhof Andermatt im hydraulischen Modell 1:30 an der VAW (Abb. 2) auf ihre Machbarkeit geprüft und optimiert.
Folgende Fragestelllungen werden im hydraulischen Modell untersucht:
- Prüfung der hydraulischen Machbarkeit des geplanten Systems
- Funktionalität der Druckbrücke in Kombination mit oberstromig seitlich angeordneter Notentlastung
- Gegenseitige Beeinflussungen der untersuchten Brücken
- Verhalten der Sohle in Kombination mit Geschiebetrieb bei Hochwasserereignissen
Projekthintergrund
Im Raum Kloten besteht bereits heute ein deutliches Hochwasserschutzdefizit, wobei Schäden von bis zu 100 Millionen Franken in Kloten und über einer Milliarde Franken am Flughafen drohen. Durch die Umsetzung der Glattalbahn-Verlängerung zwischen dem Flughafen und der Stadt Kloten wird dieses Defizit, durch eine Verengung des Gerinnes vom Altbach, noch deutlicher. Deshalb wird gleichzeitig mit der Verlängerung der Tramlinie ein Hochwasserschutzprojekt am Altbach umgesetzt. Durch eine Revitalisierung und generelle Aufweitung des Gerinnes vom Altbach soll so das Schutzziel auf ein HQ100 resp. HQ300 ausgebaut werden.
Im Stadtbereich Kloten ist ein Ausbau des Gerinnes aufgrund der engen Platzverhältnisse nicht im notwendigen Mass möglich. Um die Anforderungen an den Hochwasserschutzgleichwohl zu erfüllen, wird ein Hochwasserentlastungsstollen, mit einer Länge von rund 2 km geplant. Dieser soll grössere Abflüsse oberstrom der Stadt Kloten fassen, unter Kloten und der Flughafen-Autobahn N11 hindurch umleiten und in die bestehende Altbach-Eindolung unter dem Flughafen ableiten.
Dazu soll ein unreguliertes Tafelschütz den Abfluss im Altbach auf rund 10 m3/s drosseln. Hochwasserabflüsse werden durch das Schütz zurückgestaut und über eine seitliche, 35 m lange Überfallkante in einer Sammelrinne gefasst und weiter in den Entlastungsstollen geleitet.
Auftrag der VAW
Die durch die IUB AG geplanten wasser- und flussbaulichen Massnahmen werden im Auftrag der Verkehrsbetriebe Glattal AG (VBG) von der VAW mittels gegenständlicher Modellversuche (Abb. 1) im Massstab 1:20 geprüft und optimiert.
Versuchsprogramm
Folgende Fragestellungen werden untersucht:
- Prüfung und Optimierung der hydraulischen Anlagenteile und der Strömung vor und im Einlaufbauwerk hinsichtlich der Funktionstüchtigkeit und der Trenncharakteristik des Einlaufbauwerks
- Geschiebetransportprozesse hinsichtlich Eintrag von Sedimenten in den Stollen, Ablagerungen im Rückstaubereich und Geschiebedurchgängigkeit bei kleinen Hochwasser
- Schwemmholztransportprozesse hinsichtlich Eintrag in den Stollen und Einfluss auf die Trenncharakteristik
- Prüfung von Überlastszenarien und Bauzustand
In den Modellversuchen wurde die korrespondierende Drosselöffnung für die vorgegebene Trenncharakteristik ermittelt. Die Gerinnegestaltung sowie die Tosbeckenausbildung konnten hinsichtlich Geschiebedurchgängigkeit optimiert werden. Die für kleine Hochwasser angepassten Schwemmholzrechen werden auf ihre Funktionsweise bei grossem Hochwasser überprüft. Anschliessend erfolgen Untersuchung zur Verhinderung des Lufteintrags in den Entlastungsstollen, wie er in Abb. 2 für ein HQ100 ersichtlich ist.
Holz ist ein wesentlicher Bestandteil eines Fliessgewässers, da es heterogene Fliessbedingungen und morphologische Strukturen schaffen kann. Falls die Holzmenge in einem Fluss jedoch die Transportkapazität des Fliessgewässers übersteigt, kann die Gefahr von Verklausungen an Brückenbauwerken oder Wehren stark zunehmen. Verklausungen von Schwemmholz an Bauwerken können einen Aufstau verursachen, der einerseits zu Überflutungen führen und andererseits die Stabilität des betroffenen Bauwerks beeinträchtigen kann. Schwemmholz stellt daher insbesondere im Hochwasserfall ein erhöhtes Gefahrenpotential dar. Um die Auswirkungen von Schwemmholz im Hochwasserfall genauer zu untersuchen, wurden im Rahmen von Modellversuchen die Verklausungswahrscheinlichkeit von Schwemmholz an Brückenpfeilern untersucht (Dissertation DownloadSchalko, 2018 (PDF, 33.9 MB)vertical_align_bottom). Die Modellversuche haben gezeigt, dass die Verklausungswahrscheinlichkeit mit zunehmender Holzlänge und abnehmender Fliessgeschwindigkeit zunehmen. Mit Hilfe von Feldversuchen soll nun die Skalierbarkeit der Modellversuche überprüft und das Prozessverständnis der Verklausung sowie der Interaktion zwischen Holz und Pfeiler verbessert werden.
Die VAW hat in Zusammenarbeit mit dem Gewässerunterhalt des Kantons Zürich einen Feldversuch an der Glatt durchgeführt, um den Verklausungsprozess von Schwemmholz an einem einzelnen, kreisförmigen Brückenpfeiler unter natürlichen Bedingungen zu untersuchen (Abb. 1). Das Vorgehen wurde in Anlehnung an die Modellversuche an der VAW gewählt. Es wurden einzelne Stämme (Länge L = 4 m) mittels eines Kranwagens in einem Abstand von 5 bis 10 m oberstrom des Brückenpfeilers (d = 1.2 m) quer zur Fliessrichtung zugegeben. Ähnlich wie bei den Modellversuchen wurde dieses Vorgehen mindestens 40-mal wiederholt, um eine statistisch signifikante Verklausungswahrscheinlichkeit zu ermitteln. Neben der Verklausungswahrscheinlichkeit wurde der Prozess der Verklausung mit Hilfe von Kamera- und Videoaufnahmen analysiert.
Die Engstlige in Frutigen (BE) weist deutliche Hochwasserschutzdefizite auf. Bereits bei mittleren Hochwasserereignissen ist die Kapazität der Dorfstrecke erschöpft und ab einem HQ30 ist mit Schäden im Siedlungsgebiet zu rechen. Aus diesem Grund wird der Wasserbauplan Hochwasserschutz Engstlige Frutigen zurzeit erarbeitet. Er soll den Hochwasserschutz entlang der gesamten Dorfstrecke gewährleisten und sieht verschiedene Massnahmen entlang und oberstrom der Dorfstrecke vor. Unter anderem soll oberstrom der Siedlung (im Gebiet Grassi) ein Schwemmholzrückhaltesystem realisiert werden. Dieses soll einen maximalen Rückhalt von Schwemmholz gewährleisten und gleichzeitig den Geschiebehaushalt nur minimal beeinträchtigen. Zudem muss das System die bestehende Geschiebebewirtschaftung weiterhin ermöglichen und darf das Auengebiet von nationaler Bedeutung nicht beeinträchtigen, welches sich über etwa 7 Kilometer bis kurz vor die Siedlungsgrenze Frutigens erstreckt.
Um verschiedene Schwemmholzrückhaltesysteme zu testen, wurde der Flussabschnitt der Engstlige im Gebiet Grassi (ca. 1 Kilometer Länge) in einem gegenständlichen Modell im Massstab 1:35 nachgebaut. Das Variantenstudium zeigte, dass der Fluss aufgrund seiner verzweigten Morphologie sehr dynamisch auf Holzrückhaltesysteme reagiert. Es konnte dennoch mit verschiedenen Varianten ein teilweiser Schwemmholzrückhalt bis zu 70% des Schwemmholz bei einem HQ100 erreicht werden. Als Bestvariante stellte sich ein Parallelrechen heraus. Dieser soll im Übergang von dem verzweigten Gerinneabschnitt in die kanalisierte Dorfstrecke angeordnet werden. Ein Lenkelement oberstrom des Parallelrechens sorgt dafür, dass die Strömung in den Rückhalteraum gelenkt wird. Der Parallelrechen hat im Gegensatz zu anderen Systemen den Vorteil, dass er einen grossen Rückhalteraum im Verhältnis zur Rechenlänge besitzt. Folglich sind der bauliche Aufwand sowie die Beeinträchtigung des Auengebiet kleiner als bei anderen Varianten. Die Optimierung des Parallelrechens inklusive Lenkelement ist Gegenstand weiterer Versuche. Zum Abschluss der Untersuchungen wird das optimierte System in Überlastszenarien untersucht.
SmartWood_3D wurde durch das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 der Europäischen Union in Form eines Marie-Skłodowska-Curie-Einzelstipendiums (MSCA-IF) unter der Finanzhilfevereinbarung Nr. 887254 finanziert. Darüber hinaus wird das Projekt vom Schweizerischen Bundesamt für Umwelt (BAFU) unterstützt.
Holz spielt eine wichtige Rolle in Fliessgewässern, da es Strömungsbedingungen und Sedimenttransport auf natürliche Weise reguliert und gleichzeitig Lebensräume für Fische und andere Organismen schafft. Während natürliche Mengen an Holz in Fliessgewässern vorwiegend positive Effekte zeigen, wirkt sich ein Überangebot an Holz häufig negativ auf Fluss- und Bachsysteme aus. Vor allem Gewässerökologie, flussbauliche Infrastruktur und Hochwasserschutz leiden verstärkt unter dem plötzlichen und unkontrollierten Auftreten von Schwemmholz, welches mit ansteigendem Wasserstand rasch mobilisiert und transportiert werden kann.
Aufgrund eines Defizits an anwendbaren Messmethoden für die Schwemmholzforschung ist bisher wenig über Transportprozesse und Ablagerungsverhalten von Schwemmholz in Fliessgewässern bekannt. Für ein besseres Verständnis der Wechselwirkungsprozesse zwischen Abfluss, Sediment und Schwemmholz, insbesondere bei höheren Abflüssen, ist die Erforschung und Entwicklung von innovativen Messmethoden erforderlich. Daher werden an der VAW neuartige Methoden, unter Anwendung innovativer Technologien, für die Schwemmholzforschung weiterentwickelt und für den Einsatz in der Praxis geprüft.
So werden z.B. zum ersten Mal intelligente Smart-Sensoren mit neun Freiheitsgraden (9-DoF) und externen GPS-Einheiten in Prototyp-Holzstämmen – sog. SmartWood (Abbildung 1) - eingesetzt, um die Bewegungsprozesse von Schwemmholz im Feld genauer zu untersuchen. Die Sensoren bestehen aus einem Beschleunigungsmesser, Winkelgeschwindigkeitsmesser und Magnetometer, und ermöglichen die Aufzeichnung von Mobilisierungs-, Transport- und Ablagerungsprozessen mit hoher Genauigkeit. Die gewonnenen Sensordaten ermöglichen die 3D-Rekonstruktion von Transportpfaden und erlauben zudem das Messen von Anprallkräften, die durch Kollisionen von Schwemmholz mit flussbaulichen Infrastrukturanlagen und Flussufer auftreten.
Schwemmholztransport endet sehr oft in Verklausungen an einer flussbaulichen Infrastruktur (z.B. Brückenpfeilern, Wehren und Durchlässen), aber auch an natürlichen Engstellen im Fliessgewässer (z.B. Schluchten und sich ausbreitender Ufervegetation). Schwemmholzverklausungen wirken sich erheblich auf das hydraulische Abflussverhalten aus und können darüber hinaus eine enorme Beanspruchung für das blockierte Objekt darstellen. Über Verklausungseigenschaften wie etwa dem Volumen, der strukturellen Anordnung oder der Verklausungsporosität, welche für die Bewertung von Aufstau und Auswirkungen auf die Gerinnemorphologie von grosser Bedeutung sind, ist jedoch wenig bekannt. Eine bildbasierte Methode - Structure from Motion (SfM) Photogrammetrie - bietet vielversprechende Einblicke in Schwemmholzverklausungen und wird derzeit vom SmartWood_3D-Projekt angewandt. SfM-Photogrammetrie generiert Punktwolken und 3D-Modelle aus 2D-Bildern (Abbildung 2), die für die Berechnung des Verklausungsvolumens sowie der strukturellen Anordnung von Nutzen sind. An der VAW wird an der Entwicklung eines effizienten Workflows gearbeitet, welcher zur Erstellung von 3D-Modellen sowie zur zuverlässigen Bewertung von Schwemmholzverklausungen benötigt wird.
Die Forschungsziele von SmartWood_3D sind:
- die Einführung moderner Technologien und Erarbeitung von effizienten Arbeitsabläufen zur bestmöglichen Anwendung in der Schwemmholzforschung,
- die Quantifizierung von Schwemmholzbewegungsprozessen von der Mobilisierung, über Transport bis hin zur Ablagerung,
- die Ermittlung von Anprallkräften, die durch Kollisionen von Schwemmholz mit flussbaulichen Infrastrukturen bzw. Flussufern entstehen,
- die Erstellung genauer 3D-Modelle von Schwemmholzverklausungen im Feld für eine Reihe von Anwendungen wie z.B. Messen von Schwemmholzvolumen, Abschätzung der strukturellen Anordnung und Verklausungsporosität, und
- die Zusammenfassung der erzielten Ergebnisse zur Verbesserung des Verständnisses der komplexen Wechselwirkungsprozesse zwischen Abfluss, Sediment und Holz in Fliessgewässern.
Ein besseres Verständnis von Schwemmholzbewegungs- und Verklausungsprozessen ist wichtig, um auftretende Auswirkungen auf Gerinnemorphologie und flussbauliche Infrastrukturanlagen besser abschätzen zu können. Die erzielten Ergebnisse können für die Risikobewertung von Schwemmholzgefährdeten Gewässern hilfreich sein, und zu einem Unterhaltskonzept beitragen, welches Holz als ökologisch wertvolles Element in Fliessgewässern berücksichtigt.
Update: August 2022
Es wurden 10 Smart-Sensoren speziell für dieses Forschungsprojekt entwickelt und in 4 m lange Baumstämme mit einem mittleren Durchmesser von rund 0.33 m installiert, um aus den Baumstämmen «SmartWood» zu machen. Während der Hochwasser im Sommer 2021 wurden zum ersten Mal SmartWood-Experimente im Naturmassstab an drei verschiedenen Schweizer Fliessgewässern; der Grossen Melchaa im Kanton Obwalden sowie der Thur und Limmat im Kanton Zürich, durchgeführt (Abbildung 3). Es konnte gezeigt werden, dass die Sensoren und SmartWood-Stämme den Anforderungen für den Einsatz im Feld entsprechen. Dabei wurden neuartige Daten über die Schwemmholzdynamik generiert, die derzeit ausgewertet werden.
Die gewonnenen Sensordaten erlauben die Abschätzung der Stammorientierung und Transportgeschwindigkeit aus den Trägheitsmessungen (Beschleunigung, Winkelgeschwindigkeit, magnetische Flussdichte), und zeigen darüber hinaus grosses Potential für die Rekonstruktion des zurückgelegten Transportpfads (IMU- und GPS-Daten). Des Weiteren liefern SmartWood-Daten neue Einblicke in resultierende Anprallkräfte von Schwemmholz, die durch Kollisionen mit flussbaulicher Infrastruktur, grossen Blöcken im Gewässer, oder Gewässerbegrenzungen entstehen.
Neben der Analyse der Bewegungsdynamik von Schwemmholz in Schweizer Flüssen wurden auch die Eigenschaften (z.B. Volumen, Porosität, strukturelle Anordnung) von Schwemmholzansammlungen im Feld untersucht. Dabei wurden intakte Schwemmholzansammlungen mittels Drohnenvermessung aus nächster Nähe aufgenommen. Beruhend auf dem Prinzip der Structure-from-Motion Photogrammetrie wurden aus den Luftbildaufnahmen 3D Modelle (digitale Zwillingsmodelle) der Schwemmholzansammlung erstellt. Die erzeugten digitalen Zwillingsmodelle erlauben eine präzise Abschätzung des Schüttvolumens (2.5D und 3D Volumen). Nach der Drohnenvermessung wurden die Schwemmholzansammlungen aus dem Fliessgewässer entfernt und manuell vermessen (Gewichtsbestimmung, Verarbeitung zu Hackschnitzel, Abbildung 4), während Holzproben zur detaillierten Analyse ins Labor gebracht wurden (Trocken- und Feuchtdichtebestimmung, Wassergehalt). Anhand der gewonnen Daten und Parameter konnte das Festmeter-Volumen (Netto-Holzvolumen) nachgewiesen werden. Das ermittelte Festmeter-Volumen stellt neben dem 2.5D und 3D Volumen (Schüttvolumen) einen wichtigen Parameter zur Porositätsbestimmung dar. Derzeit wird ein effizienter Workflow ausgearbeitet, der die rasche Generierung und Bewertung der Eigenschaften von Schwemmholzansammlungen mit Hilfe digitaler Zwillingsmodelle ermöglichen sollte.
Die im Rahmen des SmartWood_3D-Forschungsprojekts gewonnenen Daten sind für den Gewässerunterhalt relevant, um bestehende Flussbauwerke sicher zu erhalten und neue Infrastrukturanlagen bestmöglich zu planen. Darüber hinaus liefern die generierten Daten wichtige Informationen über Transport und Ablagerungsdynamiken von Schwemmholz, die für die Kalibrierung und Verifizierung numerischer Modelle erforderlich sind.
Wir schätzen die Unterstützung der Kraftwerksbetreiber (EKZ, EWO, KHR, Axpo, Ofible), der Gemeinde Sarnen, der Baudirektion Kanton Zürich, dem Schweizer Bundesamt für Umwelt (BAFU) sowie jedes einzelnen Beteiligten.